VORWORT
Dieses Geschöpf, das teilhat an dem ganzen geschöpflichen Dasein, nimmt der Mensch teil an dem paradiesischen Wunder. Das paradiesische Wunder ist dadurch gekennzeichnet, daß alle Dinge in einer wunderbaren, geheimnisvollen Beziehung zueinander sinnvoll geordnet sind. In dieser geschlossenen Bezogenheit und sinnvollen Ordnung entsteht das gedeihliche Lebensgefühl der Geschöpfe, das Grundlage und Nahrung ihrer Existenz ist. Die Spiegelung im seelischen Raum der Geschöpfe ist das Lebensgefühl des Glückes. An diesem paradiesischen Wunder nimmt der Mensch als Geschöpf teil.
Und nun bricht in dieses Geschöpf der Geist der Gottheit ein, der schöpferische Geist. In diesem Augenblick wird das Geschöpf Mensch der Eindeutigkeit entrissen. Es ist jetzt nicht mehr nur zugehörig zu der Welt der Geschöpfe, sondern genauso zugehörig zu der Eigenart des Schöpfers.
Von diesem Geist spricht der, der ihn als Mensch vielleicht am deutlichsten erkannt hatte, Jesus von Nazareth, mit den Worten: „Der Geist weht, wo er will ...“. Es ist dabei gleichgültig, ob wir das Wort mit Wind oder mit Geist übersetzen, es ist dasselbe Wort, und im Griechischen bezeichnet dieses eine Wort beides: die sinnliche Erscheinung und den geistigen Hintergrund. „Der Geist weht, wo er will. Du hörest sein Sausen wohl, aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist.“
Hier wird in einer ganz eindeutigen Weise von dem Geist als dem schlechthin Unbestimmten und Unbestimmbaren, Undefinierbaren gesprochen. Man halte dem entgegen, daß das ganze Abendland die geistige Welt mit Logik und Begriffen zu bewältigen versucht. Welch eine perverse Paradoxie! Eine Unmöglichkeit, die wirklich – wie es ja deutlich ist – zum Scheitern verurteilt ist. Der Geist ist das schlechthin Unbestimmte und Unbestimmbare, das Nichtfestzulegende, das Nicht-zu-Begreifende. Man nimmt seine Wirkung wahr oder kann sie wahrnehmen, aber alles andere bleibt unbeantwortet, ohne Begriff.
Herman Weidelener
1-160-110 LEBENSQUELLE GEIST
Orig. Titel: Vom Erkennen des Geistes
5 Vorträge Pfingsten 1956/61
(Das Erkennen als geistiger Akt, Das Problem des Geistes, Heiliger Geist, Leben aus dem Geist, Paulus von Tarsus)
Geb. 100 S.
Augsburg: 2. Auflage Pfingsten 2004
ISBN 978-3-9808008-9-1
14,00 €